Ich arbeite seit einer Weile mit einer Führungskraft.
Eloquenz, Kontrolle, Präsenz – all das sitzt. Der Raum gehört ihm, wenn er ihn betritt.
Führung funktioniert. Auch Selbstreflexion. Er denkt schnell, formuliert präzise.
Es ist nicht unser erstes Coaching. Die Themen haben sich verlagert. Es geht weniger um Außenwirkung, mehr um Innenleben.
Letzte Woche sagt er irgendwann, halb im Spaß, halb im Ernst: „Ich bin ein bisschen beziehungsunfähig. Du weißt schon, so der klassische Bindungsangst-Typ.“
Ich sage erstmal nichts.
Weil da ein Lächeln war. Und ein winziges Zögern.
Bindungsangst hat inzwischen fast Image-Charakter. Unnahbarkeit wirkt souverän. Rückzug gilt als Selbstschutz mit Stil. Aber wer genauer hinsieht, erkennt darin oft etwas ganz anderes: Feinjustierte Vermeidung. Menschen, die es perfektioniert haben, nicht berührbar zu sein. Oft nicht aus Arroganz, sondern aus Erfahrung.
Denn Nähe kann schnell zu viel werden, wenn man früh gelernt hat, sich darin zu verlieren.
Oder unterzugehen. Dann fühlt sich Rückzug irgendwann nicht mehr wie Wahl an, sondern wie Gewohnheit – und später vielleicht sogar wie Haltung.
Er hat viel Erfahrung darin, andere souverän durch schwierige Situationen zu führen.
Und gleichzeitig scheint er kaum zu wissen, wie er mit sich selbst in Kontakt bleibt, wenn Nähe entsteht. Nicht aus Unwillen. Eher aus einem Reflex, der irgendwann einmal überlebenswichtig war – und heute noch wirkt, obwohl die Bedrohung längst vergangen ist.
Und dieser Schutz inszeniert sich als Souveränität – professionell, unnahbar, wirksam.
Aber bleibt letztlich eins: einsam.
Doch da war dieses Zögern.
Vielleicht war das ein Anfang.