In meinen Coachings begegne ich vielen Menschen, die glauben, sich selbst noch nicht „gefunden“ zu haben. Sie haben das Gefühl, dass da irgendwo eine klarere, wahrere Version von ihnen existiert – eine, die endlich weiß, wer sie ist und was sie will. Also reflektieren sie. Sie hinterfragen sich, analysieren jede Entscheidung, zerlegen jedes Gefühl auf der Suche nach Mustern. Sie nennen es Selbstentwicklung – oft ist es Selbstzerfleischung.
Aber was, wenn es diese eine, finale Version gar nicht gibt? Wenn Identität kein fertiges Produkt ist, sondern sich ständig verändert – mit jeder Erfahrung, jeder Begegnung, jedem neuen Gedanken?
Die Idee, dass man sich selbst irgendwann „findet“, klingt beruhigend. Doch sie setzt auch unter Druck. Sie suggeriert, dass es einen Zustand gibt, in dem man endlich „richtig“ ist – und dass dieser Zustand irgendwo in der Zukunft liegt. Dass man sich nur genug reflektieren muss, um ihn zu erreichen. Aber genau das führt in eine Endlosschleife. Denn wer sich ständig sucht, bestätigt sich vor allem eins: dass er noch nicht vollständig ist.
Persönliche Entwicklung ist wertvoll. Aber sie wird anstrengend, wenn sie zum Dauermodus wird. Wenn man sich selbst nicht mehr als Mensch erlebt, sondern als Baustelle. Manchmal braucht es nicht mehr Reflexion, sondern mehr Präsenz. Nicht mehr Theorien, sondern mehr Momente, in denen man sich selbst nicht hinterfragt, sondern einfach da ist.
Vielleicht gibt es dich gar nicht zu finden. Vielleicht bist du längst da – du hast nur noch nicht aufgehört, dich zu suchen.