Das sagte mir ein Coachee – Führungskraft, erfahren, reflexiv – über einen Vorwurf, den ihm ein Mitarbeiter gemacht hatte.
Wir lachten. Es war wirklich witzig – weil der Satz klug beschrieben hat, was dem Vorwurf gefehlt hat: Kontext.
Denn was in Organisationen schnell als „passiv-aggressiv“ gelesen wird, ist oft etwas anderes: Ambivalenz, Kontextbewusstsein, Selbstregulation. Nicht optimal vielleicht – aber in vielen Situationen funktional.
„Passiv-aggressiv“ wird vor allem dann unterstellt, wenn jemand nicht konfrontiert, aber auch nicht nachgibt. Wenn die Reaktion nicht eindeutig ist, aber auch nicht ganz bequem.
Was damit in der Theorie gemeint ist, ist ein klares Muster: indirekter Widerstand, verdeckter Ärger, kommunikative Vermeidung. Aber nicht jede indirekte Kommunikation fällt darunter. Und nicht jede höfliche Dissonanz ist schon ein Beziehungsproblem.
Wer gelernt hat, in widersprüchlichen Systemen zu navigieren, äußert sich oft differenzierter, abgefedert, leicht verschoben – nicht aus Unklarheit, sondern aus Erfahrung.
In solchen Kontexten ist genervt zu sein kein Zeichen von Unreife. Und Höflichkeit kein Mangel an Klarheit. Sondern manchmal das Letzte, was von einer guten Absicht übrig bleibt.
Möglicherweise war er tatsächlich nicht passiv-aggressiv. Vielleicht war er einfach: bei sich, nicht begeistert – und trotzdem im Kontakt.