In meinen Coachings sitzen oft Menschen, die es „geschafft haben“. Beeindruckende Titel, volle Terminkalender, ein Leben, das von außen aussieht wie der Beweis dafür, dass sich “Fleiß” auszahlt. Sie sind wahnsinnig gut darin, Erwartungen zu erfüllen – ihre eigenen, die der Gesellschaft, die von irgendwem, an den sie sich kaum noch erinnern können.
Und dann sitzen sie da und sagen Sätze wie: „Ich kann nicht abschalten, ich weiß nicht, warum.“ Oder: „Alles fühlt sich an wie ein Wettlauf, bei dem ich vergessen habe, warum ich überhaupt losgerannt bin.“
Ich könnte jetzt sagen: „Okay, dann lass uns an deiner Balance arbeiten.“ Und ja, das wäre ein Anfang. Wir könnten uns anschauen, was du wirklich willst, was dich antreibt, was du von anderen übernommen hast, ohne es zu hinterfragen. Wir könnten deine Werte klären, deine Grenzen stärken, deine Richtung neu justieren. Das sind wichtige, sinnvolle Schritte.
Aber manchmal reicht das nicht.
Denn manchmal geht es nicht darum, wie du dein Leben besser ausrichtest. Sondern darum, warum du überhaupt so rastlos bist. Warum dir nichts lange genug genügt, um es wirklich zu genießen. Warum du dich erst sicher fühlst, wenn du das nächste Ziel erreicht hast – und selbst dann nur für einen kurzen Moment.
Oft sind es nicht die äußeren Umstände, die uns auslaugen. Sondern die alte, nie hinterfragte Angst, nicht genug zu sein. Das “innere Kind”, das irgendwann gelernt hat: Ich werde nur geliebt, wenn ich etwas leiste.
Das ist der Moment, in dem Coaching an seine Grenzen stößt. Coaching kann helfen, Klarheit zu schaffen, Handlungsspielräume zu erweitern, blinde Flecken sichtbar zu machen. Aber Coaching heilt keine Wunden. Und wenn der eigene Selbstwert an Erfolg geknüpft ist, dann ist das kein Coaching-Thema. Dann ist das eine Wunde.
Und das Gemeine ist: Diese Wunde lässt sich nicht mit mehr Leistung schließen. Kein Titel wird sie heilen. Kein „Wenn ich erst mal XYZ erreicht habe, dann…“ wird sie jemals beruhigen. Weil das innere Kind nicht nach Erfolg schreit. Es schreit nach etwas anderem. Vielleicht nach Ruhe. Vielleicht nach Anerkennung, ohne Bedingungen. Vielleicht nach emotionaler Geborgenheit.
Ich bin Coach, kein Therapeutin. Mein Job ist nicht, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Mein Job ist, dich in die Zukunft zu begleiten. Aber wenn das, was dich antreibt, nicht Neugier ist, sondern die stille Angst davor, ohne Leistung wertlos zu sein – dann geht es nicht um den nächsten Schritt.
Dann geht es darum, stehen zu bleiben.
Und zum ersten Mal die Frage zu stellen: Wer bin ich, wenn ich nichts beweise?