In meiner Arbeit begegne ich immer wieder Menschen, die für ihre Tapferkeit bewundert werden. Oft sogar beneidet.
Weil sie alles schaffen. Sich nie beschweren.
Stabil bleiben, wenn’s richtig eng wird. Stark wirken, obwohl es innen längst bröckelt.
Was aussieht wie persönliche Stärke, ist aus systemischer Sicht oft schlicht: eine Funktion.
Denn Systeme – ob Familie, Beziehung oder Team – organisieren sich über Rollen. Und wenn es schwierig wird, muss jemand die Lücke füllen. Jemand muss die Stimmung halten. Die Verantwortung schultern. Das Chaos abfedern.
Tapferkeit ist dafür erstaunlich gut geeignet.
Sie bringt Ruhe. Verlässlichkeit. Entlastung – für die anderen.
Aber nicht unbedingt für die Person, die tapfer ist.
Und je länger das funktioniert, desto unsichtbarer wird es. Weil sich das System daran gewöhnt hat. Und die Person auch.
Ich frage im Coaching deshalb nicht: „Wie wirst du wieder stärker?“
Ich frage: „Was passiert in deinem System, wenn du deine Rolle nicht mehr spielst?“
„Wer müsste dann in Bewegung kommen – außer dir?“
Manche Menschen merken erst dann:
Ihre Tapferkeit hat ihnen vielleicht nie wirklich gedient. Sondern eher dem Gleichgewicht der anderen.