Neulich fragte mich jemand mit so einem halb amüsierten, halb irritierten Blick: „Was stimmt eigentlich nicht mit dir?“ Wahrscheinlich, weil ich mich seit fast 15 Jahren freiwillig mit Konflikten und Krisen beschäftige. So richtig schön festgefahrene Situationen. Da, wo andere das Gespräch höflich abbrechen, hole ich mir einen Kaffee und sage: „Fangen wir an.“
Ich habe mir irgendwann das verrückte Talent angeeignet, mich auch dann wohlzufühlen, wenn andere lieber aufhören würden. Und das bedeutet nicht, dass ich wahnsinnig geduldig bin oder mich an Machtkämpfen aufreiben will. Oberflächenrhetorik interessiert mich nicht. Mich interessiert, was passiert, wenn nichts mehr zu beschönigen ist. Wenn Klartext der einzige Ausweg ist.
Warum? Weil ich weiß, dass genau da, wo nichts mehr zu gehen scheint, die spannendsten Dinge passieren. Wo Menschen sich endlich trauen, ehrlich zu werden. Wo man den Mut aufbringen muss, den sicheren Boden zu verlassen und auszuhalten, dass es wackelt.
Das ist der Moment, wo ich merke, dass all die Arbeit Sinn ergibt. Wenn plötzlich Dinge in Bewegung kommen, die seit Jahren feststecken. Wenn Leute, die sich nicht mal mehr zuhören wollten, anfangen, sich wirklich zu verstehen. Und ich weiß, das klingt kitschig, aber wenn man miterlebt, wie Konflikte nicht nur beigelegt, sondern tatsächlich aufgelöst werden, ist das pure Wirksamkeit. Und Wirksamkeit ist für mich so etwas wie Adrenalin.
Ich habe unzählige Male erleben können, dass Konflikte keine lästige Störung sind. Sie sind ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass es wirklich um etwas geht. Dass etwas auf dem Spiel steht, was man nicht länger ignorieren kann. Und ich liebe es, genau da anzusetzen. Mich interessiert nicht, wer recht hat. Mich interessiert, was funktioniert.
Und ja, dafür gehe ich manchmal unkonventionelle Wege. Denn ich habe keine Lust, nur Symptome zu kurieren. Mir geht’s um den Kern. Um das, was Menschen wirklich antreibt, um das, was Organisationen und Teams lebendig macht. Und ja, manchmal gehört dazu auch Humor. Weil Humor Spannungen löst. Weil er verbindet, wo alles andere trennt. Ich weiß aber auch, dass es nicht immer sofort funktioniert. Manchmal geht es darum, sich mit Geduld und Offenheit durch das Chaos zu graben. Schritt für Schritt. Bis sich irgendwo ein Weg auftut.
Was also nicht mit mir stimmt? Vielleicht, dass ich mich immer wieder dorthin begebe, wo die Luft dünn wird. Vielleicht ist ganz dünnes Eis sogar mein Lieblingsort.
Vielleicht ist genau das gerade jetzt wichtig. In Zeiten, in denen so vieles auseinanderdriftet. Wo ein Moment echten Verstehens manchmal mehr bewirken kann als jede Lösung.
Daher freue ich mich umso mehr, dass ich am letzten Wochenende meine neue Runde der Mediationsausbildung in Warnemünde gestartet habe – mit einer Gruppe, die nicht nur neugierig ist, sondern auch bereit, richtig tief zu gehen.