Von Atempausen und kleinen Explosionen.
Manchmal steht sie einfach vor der Tür, die Wut. Unangekündigt, aber keineswegs grundlos. Sie platzt herein, macht sich breit, und bevor man „achtsames Konfliktmanagement“ sagen kann, hat sie schon das Wort ergriffen. Wir kennen das alle. Erst der Atemzug, dann der Ausbruch. Eine atemlose Symphonie des Unbeherrschtseins. Und während die Worte – oder Blicke – längst ins Ziel getroffen haben, sitzt man daneben und fragt sich: War das jetzt nötig?
Es gibt eine Art Poesie in diesen Momenten. Nicht die gute Sorte, sondern die überdrehte, unfertige, die nach Aufmerksamkeit schreit. Unsere Ausbrüche sind oft nichts anderes als Notizen aus der Tiefe: „Ich fühle mich übersehen.“ Oder: „Ich halte das hier nicht mehr aus.“ Die Verpackung? Laut. Chaotisch. Unsubtil. Aber die Botschaft? Glasklar. Wenn man genau hinhört.
Ich kenne das – natürlich. Von mir selbst, wenn ich wieder einmal überrascht feststelle, dass mein Plan zur souveränen Gelassenheit in einer emotionalen Kurzschlussreaktion endet. Aber auch von den Konfliktparteien, die ich begleite. Die Geschichte ist oft die gleiche: Die Wut ist selten zufällig. Sie ist das Ende einer stillen Rechnung, die wir heimlich mit der Welt führen. Jede unausgesprochene Enttäuschung, jeder verpasste Moment, uns zu positionieren, summiert sich – und irgendwann explodieren wir. Unser Gegenüber wird zum Schuldigen, obwohl es eigentlich nur Statist in unserem inneren Drama ist.
Und doch: Die Wut hat etwas Ehrliches. Sie ist roh, ungeschönt und unmissverständlich. Das Problem liegt weniger in ihrem Dasein als in ihrer Inszenierung. Wir kommen uns oft selbst zu spät auf die Schliche, um zu erkennen, dass wir nicht gegen die anderen kämpfen, sondern mit uns selbst ringen. Es geht um Bedürfnisse, die keine Bühne finden. Um Grenzen, die nie klar gezogen wurden.
Doch zwischen Atemzug und Ausbruch steckt ein kleiner, feiner Raum – wenn man ihn wahrnimmt. Der Moment, in dem wir uns fragen könnten: Worum geht es mir wirklich? Nicht um zu reagieren, sondern um zu verstehen. Aber oft lassen wir diesen Raum verstreichen. Und dann kommt: „Ich atme ein, ich raste aus.“ dabei raus.