Unterschätzt mich ruhig, das wird lustig!

Kristin Kirchhoff

Kristin Kirchhoff

18.01.2025

Früher fühlte es sich an wie ein stiller Vorwurf: dieser prüfende Blick meiner Kund:innen, das leise Zögern, als würden sie sich fragen: „Meint sie das ernst? Kann sie uns hier wirklich rausholen?“ Damals war ich überzeugt: Sie unterschätzen mich. Heute weiß ich: Sie zweifelten nicht an mir. Sie zweifelten daran, dass überhaupt jemand Ordnung in ihr Chaos bringen kann.

Vor über zehn Jahren, als ich frisch als Mediatorin anfing, war ich fest entschlossen, Sicherheit zu schaffen – für mich und für sie. Noch eine Weiterbildung hier, ein Zertifikat da. Ich wollte zeigen, dass ich vorbereitet bin, dass ich das Handwerkszeug habe, um auch die schwierigsten Situationen zu lösen. Und obwohl ich redete, erklärte und analysierte, blieb die Unsicherheit im Raum. Nicht, weil ich nicht gut genug war. Sondern weil ich dachte, Unsicherheiten ließen sich durch Kontrolle vertreiben.

Natürlich tun sie das nicht. Es war kein dramatischer Aha-Moment, der mich das begreifen ließ. Kein filmreifes „Der Vorhang fällt“-Erlebnis. Es war eher ein langsames Begreifen: Ihre Skepsis war nie ein Urteil über mich, sondern Ausdruck ihrer Angst, festzustecken – und nicht verstanden zu werden. Und, wenn ich ehrlich bin, spiegelte sie auch meine eigenen Zweifel: Was, wenn ich es tatsächlich nicht kann?

Damals begriff ich: Vertrauen entsteht nicht, weil ich makellos bin. Ehrlich, wer ist das schon? Es entsteht, weil ich in genau dem Moment den Raum halte, in dem andere am liebsten rausrennen würden. Weil ich nicht gegen den Zweifel kämpfe, sondern ihn aushalte, bis er sich von selbst auflöst.

Heute frage ich mich nicht mehr, ob sie mich unterschätzen. Vielleicht tun sie das, vielleicht auch nicht. Aber das spielt keine Rolle. Denn was ich gelernt habe, ist dies: Ein Konflikt löst sich nicht, weil jemand beeindruckt ist. Ein Konflikt löst sich, weil Menschen den Raum, die Zeit und die Unterstützung bekommen, ihren Blickwinkel zu verändern – und dadurch ihre Lösung selbst erkennen.

Unterschätze mich ruhig, das wird lustig – denn genau da beginnt die eigentliche Arbeit.

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