In meinen Ausbildungen und Seminaren begegnen mir immer wieder Menschen, die mit beeindruckender Präzision über sich selbst sprechen. Sie kennen ihre Muster, benennen ihre inneren Konflikte, reflektieren ihre Reaktionen und können ganze psychologische Theorien auf ihr eigenes Verhalten anwenden. Oft geschieht das mit einer bemerkenswerten sprachlichen Eleganz und trotzdem spürt man: Irgendetwas fehlt.
Denn obwohl das Denken differenziert, klug und reflektiert ist, fehlt häufig der unmittelbare emotionale Kontakt. Gefühle werden benannt, eingeordnet, manchmal sogar virtuos beschrieben, aber sie werden nicht durchlebt. Der Körper bleibt still, der Blick kontrolliert, die Stimme klar. Kein Zittern, kein Straucheln, keine sichtbare Resonanz.
Man spürt: Da spricht jemand über sich, aber nicht aus sich heraus.
Diese Form von kognitiver Selbstbeobachtung ist selten Zufall. Sie ist meist das Ergebnis einer gut trainierten Selbstregulation, die sich früh gebildet hat. In Kontexten, in denen emotionale Präsenz nicht sicher war, nicht erwünscht oder schlicht nicht verstanden wurde. Viele dieser Menschen haben gelernt, dass es sicherer ist, sich selbst aus der Distanz zu betrachten, als sich wirklich zu zeigen. Das schützt und funktioniert erstaunlich gut. Oft so gut, dass es von außen als Stärke gesehen wird. Professionell, souverän und klar.
Allerdings hat dieser Schutz auch eine Kehrseite.
Denn wenn das Fühlen fehlt, fehlt auch der unmittelbare Zugang zu dem, was wirklich bewegt. Und mit diesem Verlust verschwindet oft etwas Existenzielles: die Weichheit, die Wucht, die Lebendigkeit… all das, was nicht erklärbar ist, sondern nur spürbar.
Entwicklung, die nur im Kopf stattfindet, weiß oft viel, aber sie verändert wenig. Ich kenne diese Dynamik übrigens auch von mir selbst. In eigenen besonders komplexen oder herausfordernden Situationen merke ich manchmal, wie ich beginne, mich eher zu beobachten als zu empfinden. Es ist eine vertraute Bewegung und ein Hinweis darauf, wie tief diese Muster sitzen können.
In der Begleitung von Menschen in solchen Prozessen geht es für mich nicht darum, den klugen Kopf in Frage zu stellen. Er hat lange für Orientierung gesorgt, vieles ermöglicht, manchmal sogar getragen. Aber er kann nicht alles. Und er muss es auch nicht.
Es geht darum, Zugänge zu fördern, in denen der Körper wieder mitsprechen darf. In denen Gefühle nicht analysiert, sondern erlebt werden. In denen man nicht sofort verstehen muss, sondern zunächst überhaupt anwesend sein kann.
Ich habe gelernt: Tiefe Veränderung beginnt nicht in dem Moment, in dem wir mehr über uns verstehen, sondern in dem Moment, in dem wir zulassen, dass das, was wir längst verstanden haben, uns wirklich berührt.




